Die heilige Katharina von Siena (1347 – 1380) und ihre Zeit

(8.Teil)

Wunder an Brot und Wein
Brot und Wein wurden von Christus einst in Seinen Leib und in Sein Blut verwandelt. Unter diesen Gestalten wollte Er sich Seiner Kirche schenken und in ihr durch die tägliche Erneuerung Seines Opfers am Kreuz gegenwärtig bleiben! An Brot und Wein vollzog Er aber hier auf Erden große Wunder zur Stärkung des natürlichen Lebens. Er vermehrte einige Brote, so dass Tausende davon satt wurden und am Ende noch viele Körbe voll von Stücken davon übrigblieben (vgl. Mt.14,14ff.; 15,32ff. par.). Und er verwandelte auf Bitte Seiner Mutter Maria auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa Wasser in sechs großen Krügen in Wein (vgl. Joh. 2,1ff.).
So ist es nicht überraschend, wenn auch bei Heiligen immer wieder Wunder an Brot und Wein geschehen sind oder eine gewisse Rolle spielen. Auch in den Lebensberichten zu Katharina werden uns einige Brot- und Weinwunder überliefert.
Einmal soll Katharina zur Zeit einer Hungersnot, als es nur noch halbverdorbenes und bitter schmeckendes Korn zu kaufen gab, aus dem Mehl dieses schlechten, übelriechenden Korns zahlreiche wohlschmeckende Brote für die Armen gebacken haben. Die Witwe Alessa, die sich Katharina angeschlossen hatte und bald ihre treueste Freundin geworden war, hatte das schlechte Korn wegschmeißen wollen, doch Katharina wehrte dies ab. Sie mischte das Mehl dieser Körner mit Wasser und formte mit ihren Händen in überraschender Schnelligkeit aus dem angerührten Teig Brote, und zwar so viele, wie es eigentlich nur bei einer vier- bis fünffachen Menge an Mehl möglich gewesen wäre. Und alle, die nach dem Backen davon aßen, „versicherten … einhellig, niemals ein so schmackhaftes Brot gegessen zu haben“ (Raimund von Capua, Legenda Maior, a.a.O., S. 368).
Von diesem Brot wurde „mit vollen Händen an die Armen und an die Brüder ausgeteilt“ und dennoch blieb „in der Truhe die Brotmenge stets gleich“ (ebd.), und das über mehrere Wochen hindurch! Raimund berichtet, dass zum Andenken an dieses Brotwunder von den Menschen Stücke jenes Brotes wie Reliquien aufbewahrt worden sind. Katharina habe dann Raimund als ihrem Beichtvater berichtet, dass in jener Stunde Maria ihr in Begleitung vieler Engel und Heiligen erschienen sei, ihr dieses Werk aufgetragen und ihr dann selbst beim Formen der Brote auch geholfen habe, die sich in ihren Händen wunderbar vervielfältigt hätten.
Ein anderes Brotwunder ereignete sich in Rom. Katharina war im November 1378 auf Geheiß von Papst Urban VI. dorthin gezogen. Mit ihren Begleiterinnen und anderen Gefährtinnen und Gefährten, die ihr teils gegen ihren Willen gefolgt waren, lebte sie so nun dort in einer Gemeinschaft von 25 bis 40 Menschen in einem gemeinsamen Haushalt. Da geschah es, dass die Frau, die an einem bestimmten Tag eingeteilt gewesen wäre, für das Essen der Gruppe zu sorgen, das notwendige Brot für den nächsten Tag zu erbetteln vergessen hatte. Katharina befahl, das wenige noch vorhandene Brot zum Frühstück auszuteilen und begab sich dann zum Gebet. Und wie bei der Brotvermehrung im Evangelium wurden auch an diesem Tag die Brotstückchen nicht weniger. Alle wurden wunderbarerweise von den Brotstücken satt, ja am Ende konnte noch reichlich unter den Armen verteilt werden!
Ähnliches ereignete sich nicht nur einmal, sondern wiederholt! Raimund berichtet gleich von mehreren solcher wunderbaren „Brotvermehrungen“, die auf die Fürbitte von Katharina hin sich ereigneten! Und nicht nur das Brot vermehrte sich in bestimmten Notlagen, sondern auch wiederholt der Wein, wovon teils auch schon früher im Zusammenhang mit der Sorge Katharinas für die Armen berichtet wurde.
Raimund erwähnt hier neben anderen auch ein Beispiel aus dem Jahre 1375, das Gott sogar ohne Wissen Katharinas wirkte, als sich die Heilige in Pisa befand. Da sei Katharina einmal nach einer übermächtigen Ekstase so schwach geworden, dass man um ihr Leben fürchtete. Weil man ihr keine stärkende Nahrung einflößen konnte, sandten Raimund und sein Gefährte zu einem Bekannten, der gewöhnlich im Keller ein Fässchen Vernaccia-Wein lagerte. Sie wollten mit diesem Wein, dem eine stärkende Wirkung zugeschrieben wurde, wenigstens Schläfen und Handgelenke Katharinas einreiben und ihr damit wieder zu etwas Kraft verhelfen.
Doch das Fass dieses Mannes enthielt in diesem Jahr schon seit drei Monaten keinen Wein mehr. Als er beim Eintreffen des Boten diesem das leere Fass zeigen wollte und den Spund herauszog, da quoll plötzlich aus dem Spundloch bester Vernaccia-Wein, was sich niemand erklären konnte, so dass die ganze Stadt zusammenlief, der Bote aber vom Wein ein kleines Krüglein Raimund überbringen konnte. Da Katharina, die ja selbst keinen Wein trank, nach ihrer gesundheitlichen Besserung nicht des Weines wegen zum Mittelpunkt des Gesprächs der Menschen werden und auch spöttische Reden vermeiden wollte, bat sie Gott darum, den Wein ungenießbar zu machen. Und plötzlich war der Wein, von dem viele Bürger ehrfürchtig staunend getrunken hatten und der im Fass zunächst nicht weniger geworden war, in Essig verwandelt. Durch diese Wunder wurden also sowohl die Fürsorge Gottes als auch die Demut Katharinas offenbar.
Katharina und die Eucharistie
Obwohl zu Katharinas Zeit verhältnismäßig selten die heilige Kommunion empfangen wurde, weist Katharina wie viele andere Heilige und Theologen - auch des Mittelalters! - immer wieder darauf hin, dass wir nicht leichtsinnig dieses Sakrament der Liebe Christi zurückweisen oder es zu empfangen versäumen sollten, auch wenn sie selbstverständlich klar betont, dass man es nicht mit unreinem Herzen empfangen darf: „Es ist gut für uns, dieses Sakrament zu empfangen, weil es die Speise der Seele ist und wir ohne diese Nahrung nicht in der Gnade leben können“, schreibt sie an den Juristen Ristoro Canigiani (Brief 266, Raimund von Capua, Legenda Maior, a.a.O., S. 382). „Wenn wir die Kommunion unterlassen, weil wir uns nicht würdig fühlen, … werden wir erst recht in Sünde fallen“. Allerdings brauchen wir den „Gürtel des Gewissens. Denn es wäre unpassend, wenn wir uns mit unreinem Herzen dieser vollkommenen Reinheit näherten“ (ebd.). In Katharinas „Dialog“ handeln die Abschnitte 110 – 117 über das Geheimnis der heiligen Eucharistie. Dort heißt es zur richtigen Vorbereitung und Seelenhaltung im Abschnitt 110: „So groß wird euer Anteil an den Gnadengaben des Sakramentes sein, als die Sehnsucht groß ist… Wer sich mit einer Todsünde dem süßen Sakrament nahte, der empfinge keine Gnade …“ (a.a.O., S. 384).
Raimund selbst schreibt: „Allen, die Caterina gekannt haben, wird aufgefallen sein, wie groß und tief ihre Ehrfurcht und Andacht gegenüber dem Leib und Blut unseres Herrn gewesen ist. Und zwar so sehr, dass … bei den Leuten das Gerede laut geworden war, die Jungfrau Caterina empfange täglich das Sakrament der Eucharistie … und bedürfe keiner anderen, natürlichen Speise. Wenn es auch nicht ganz der Wahrheit entspricht…“ (a.a.O., S. 382f. Anm.: Katherina konnte oder durfte manchmal nicht kommunizieren, und sie versuchte, da sie nicht anders als die übrigen Menschen erscheinen wollte, bei den Mahlzeiten immer wieder etwas flüssige Speise, Flüssigkeit oder Kräuter zu sich zu nehmen, musste diese aber oft dann wieder nach einiger Zeit erbrechen).
Allerdings „murrten manche … über diesen häufigen Kommunionsempfang… Tatsächlich geht aus der Lehre des Dionysius, die er in seinem Buch über die kirchliche Hierarchie dargelegt hat, klar hervor, dass in der frühen Kirche, als das Feuer des Heiligen Geistes alle erfasst hatte, die Gläubigen … täglich jenes ehrwürdige Sakrament empfingen“ (ebd., S. 383). Raimund scheint sich hier auch auf Ausführungen von Thomas von Aquin zu beziehen, der in seiner Summa theologica III, q.80, a.10 ad 5 ebenfalls bemerkt, dass in der Urkirche die Gläubigen täglich kommunizierten, später aber, „als die Glut des Glaubens abgenommen hatte“ (ebd.), unter Papst Fabian die Pflicht zum Empfang der heiligen Kommunion noch an Ostern, Pfingsten und zu Weihnachten bestand, während Papst Innozenz III. nur noch die Kommunion einmal im Jahr zu Ostern vorschrieb.
Raimund erwähnt, dass Katharina zwar manchmal auch selbst den Rat des heiligen Thomas befolgte, auf den Empfang der heiligen Eucharistie gelegentlich zu verzichten, um die Ehrfurcht nicht einschlafen zu lassen (vgl. Summ. Theol. III, q. 80, a.10), dass sie aber dann immer sehr litt, wenn ihre Sehnsucht nach dem Empfang nicht gestillt wurde. Das kam immer wieder auch wegen der Verbote ihrer Vorgesetzten vor, bis endlich Papst Gregor XI. ihr erlaubte, immer einen Priester und einen Reisealtar mit sich führen zu dürfen, so dass sie überall und jeden Tag, sogar auf Reisen, die heilige Messe mitfeiern und kommunizieren konnte!
Raimund berichtet, wie einmal das Gesicht Katharinas bei der Absolution vor dem Empfang der heiligen Kommunion ganz glänzende Strahlen aussandte, und dass dann die Hostie, die er ihr reichen wollte, vom Korporale von selbst auf die Patene geschwebt sei. Ein anderer Priester berichtete, dass er bei der Kommunionsspendung an Katharina das Gefühl gehabt hätte, dass die Hostie seinen Fingern gleichsam entzogen wurde und in den Mund der heiligen Jungfrau entschwebt sei.
Eines Tages, da Katharina sehr litt und es schon etwas spät am Vormittag war, ließen ihre Mitschwestern Raimund ausrichten, dass Katharina an diesem Tag nicht kommunizieren werde. Während der heiligen Messe, bei der Brechung der Hostie, sei dann aber ein schmaler Teil derselben wie verschwunden gewesen und Raimund konnte trotz aller Bemühung diesen Teil nirgends mehr auf dem weißen Korporale finden. Da er ihn nicht mehr finden konnte, suchte er auch nach der heiligen Messe nochmals den ganzen Altar und den Fußboden um den Altar ganz genau ab. Nach der heiligen Messe sprach er dann auch mit Katharina über seine Sorge. „Sie aber gab mir … mit einem sanften Lächeln zur Antwort: ‚Ihr habt doch überall gesucht, nicht wahr?‘ … ‚Warum also seid ihr dann so traurig?‘ Bei diesen Worten konnte sie sich nicht enthalten, wieder ein wenig zu lächeln… Sie … erwiderte mit einem Lachen: ‚Vater, gebt nicht mir die Schuld! … So viel jedoch kann ich Euch sagen: Ihr werdet dieses Teilchen nicht mehr finden.‘ … Sie sagte: ‚Mein Vater, legt jede Traurigkeit ab, die Euch hinsichtlich dieses Hostienteilchens erfasst hat… Jenes Hostienteilchen kam von selbst zu mir, und ich habe es aus der Hand Jesu empfangen. Da nämlich meine Mitschwestern nicht wollten, dass ich an diesem Morgen kommuniziere, weil manche darüber murrten, wollte ich ihnen die Trauer ersparen… Ich wandte mich an meinen gütigsten Bräutigam… Er nahm Euch jene Partikel weg und reichte sie mir voll Erbarmen… Freut Euch also in Ihm, denn Euch ist nichts Schlimmes widerfahren, mir aber ist an diesem Tag ein großes Geschenk zuteil geworden, wofür ich meinem Erlöser aus ganzer Seele Lob und Danksagung darbringen will.‘“ (a.a.O., S.394f.).

(Fortsetzung folgt)

Thomas Ehrenberger

 

Zurück Hoch Startseite